Interview PKV-Verbandschef Reuther zur GOÄneu: „Es wird keine Nachverhandlungen über die Vergütung geben
Mittwoch, 30. April 2025
Der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig rückt näher – und mit ihm die Entscheidung über den Entwurf der GOÄneu. Im Interview mit der Ärzte Zeitung äußert sich PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther zu den Spielräumen der Kostenträger für Gebührenerhöhungen – und dazu, warum er die vorliegende Fassung für „einen großen Wurf“ hält.
Ein Interview von Anno Fricke und Dr. Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbands (Archivbild): „Die GOÄneu wird wie die jetzige GOÄ kein abschließender Leistungskatalog sein.“ Florian Reuther: Ich hoffe und ich erwarte auch, dass der Deutsche Ärztetag dem Entwurf zustimmt. Und zwar in der Fassung, in der er jetzt als gemeinsames Produkt von PKV und BÄK unter Beteiligung der Beihilfe vorliegt. Der Entwurf ist ein großer Wurf. Insofern möchte ich die Gelegenheit nutzen, um allen Beteiligten auch auf Seiten der Bundesärztekammer zu danken. Wir haben mehr als zehn Jahre daran gearbeitet. Ich bin zuversichtlich, dass der Ärztetag eine gute Entscheidung treffen wird. Und das heißt: Zustimmung. Nun ist es aber so, dass zum Beispiel die Radiologenund die Laborärzte, aber auch ein grundversorgendes Fach wie die Frauenärzte Initiativen gestartet haben, die GOÄneu auf dem Ärztetag gar nicht abstimmen zu lassen. Wie wichtig ist Ihnen als PKV die neue GOÄ? Ich glaube, Ärzteschaft und Patienten profitieren beide sehr von einer neuen GOÄ. Und es gibt auch niemanden, der die Notwendigkeit einer Reform ernsthaft in Frage stellt. Im Ergebnis sind sehr wichtige, gemeinsame Ziele von Ärzteschaft und privater Krankenversicherung im Verhandlungsergebnis abgebildet und auch gut umgesetzt. Welche zum Beispiel? Wir haben das Leistungsverzeichnis aktualisiertund an die moderne Medizin angepasst. Wir haben digitale Leistungen abgebildet. Wir schaffen eine höhere Transparenz für alle Anwender der GOÄ. Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte erhalten mehr Rechtssicherheit. Und gleichzeitig haben wir wichtige Elemente der bestehenden Gebührenordnung erhalten und fortentwickelt, die zu Recht von der Ärzteschaft als integraler Bestandteil der Freiberuflichkeit angesehen werden: die Einzelleistungsvergütung, die Therapiefreiheit, die Innovationsoffenheit, und dass es keine Budgetierung geben wird. Auch die ärztliche Zuwendung haben wir ganz neu bewertet, sie ist das Kernelement der ärztlichen Leistung. Dr. Florian Reuther Wir nehmen dieses Rumoren wahr. Auslöser sind meist Fragen der Bewertung und der Vergütung. Und an diesen Stellen ist das Verhandlungsergebnis ein Kompromiss, der auch der Privaten Krankenversicherung wirklich viel abverlangt hat. Wo genau? Wir verstehen uns als Treuhänder der Versichertengelder. Zunächst bezahlt natürlich die Patientin, der Patient die Rechnung für die Behandlung. Aber am Ende müssen die Beitragszahler die Gesamtkosten tragen. Deswegen müssen wir darauf achten, dass das Gesamtergebnis für die Beitragszahler tragfähig bleibt. Was bedeutet das konkret? Wir sind den Ärzten an vielen Stellen entgegengekommen. Wenn es beim Ärztetag keine Zustimmung zur neuen GOÄ geben sollte, wird es keine Nachverhandlungen über Vergütungen geben. Das muss man ganz klar sehen. Falls es im Einzelnen noch Fehler geben sollte, werden wir die im Austausch mit der Bundesärztekammer immer aufgreifen und versuchen zu beheben. Diesen Weg können wir aber nur nach einem positiven Votum des Ärztetages fortsetzen. Sind Sie für sich an die Schmerzgrenze gegangen? Wir sehen in der ambulanten Medizin in den letzten drei Jahren deutliche Mehrausgaben. Das alleine ist schon eine hohe Belastung für die Versicherten. Anfang 2025 Jahr kam es zu hohen Beitragsanpassungen. Wir müssen zudem Rücksicht auf die öffentlichen Haushalte der Beihilfeträger nehmen. Deswegen gibt es keinen weiteren Spielraum über den jetzt vereinbarten Gesamtrahmen hinaus. Wir hören heraus: Wenn die GOÄ nun nicht käme, wäre das für Sie zumindest kein Schaden. Verstehen wir das richtig? Wir verfolgen mit der neuen GOÄ vor allem strukturelle Ziele. Wir wollen eine bessere, transparente, rechtssichere Vergütung und Abrechnung. Wir wollen ärztliche Zuwendung und bessere Versorgung angemessen vergüten und zugleich im Interesse der Versicherten Vorteile bei der Erbringung moderner Leistungen berücksichtigen. Wir glauben, dass wir mit der neuen GOÄ echte Fortschritte in der Versorgung der Privatversicherten haben werden. Und somit wäre es ein Schaden, wenn diese GOÄ nicht zustande käme. Das Thema GOÄ steht nicht im Koalitionsvertrag. Bereitet Ihnen das Sorgen? Wir haben dafür geworben, auch gemeinsam mit der Bundesärztekammer, dass die neue GOÄ Eingang in die Vorhaben der neuen Bundesregierung findet. Ich habe aber Verständnis, dass die Politik sagt: Dieses komplexe Thema greife ich erst auf, wenn sich die Hauptbeteiligten einig sind. Sobald das gemeinsame Werk von beiden Seiten getragen wird, wird die Politik nicht daran vorbeikommen, entsprechende Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren einzuleiten. Auch deshalb ist es wichtig, dass der Deutsche Ärztetag zustimmt. Immer vorausgesetzt, der Ärztetag nimmt die GOÄ an: Wird es dann in der laufenden Legislatur etwas damit? Dann haben wir einen gemeinsam getragenen, vollständig durchgerechneten Entwurf. Es gibt dann für die Politik kein rationales Argument mehr, das Thema nicht aufzugreifen. Gerade bei den Beihilfeträgern auf Landesebene besteht ein großes Interesse daran. Es ist ja nicht nur die PKV, die die GOÄ anwendet, das sind auch andere Leistungssysteme und die Selbstzahler. Was genau ist denn seit der Vorstellung am 11. September 2024 nachgearbeitet worden? Vorschläge von rund 160 ärztlichen Fach- und Berufsgesellschaften sind im damals aufgesetzten Clearingverfahren besprochen worden. An rund 260 Punkten ist nachgebessert worden. Wo hat es aus Ihrer Sicht gehakt? Eine ganze Reihe von Einwendungen basierte auf einem unterschiedlichen Informationsstand. Diese konnten in den Clearinggesprächen, durch Erläuterungen und zum Teil durch nachträgliche Erklärungen ausgeräumt werden. Die Kritik an der Vergütung beruhte oft auf einfachen Vorher-Nachher-Vergleichen einzelner Ziffern, die das Gefühl erweckten, es gebe weniger dafür. Oft wurde dabei übersehen, dass die Ziffern im Kontext des Behandlungsgeschehens Einzelteile sind, in der Summe die Behandlung nach der neuen GOÄ aber gleich gut oder besser abgebildet wird als in der GOÄalt. Es gab viele solcher Vergleichsfehler, die sich durch schlichtes Erklären ausräumen ließen. Es gab aber auch eine ganze Reihe von Hinweisen, die mit Änderungen aufgegriffen werden konnten. Nach Simulationsrechnungen soll die neue GOÄ zu einem Gesamtplus von 13,2 Prozent gegenüber dem status quo führen. Wie verteilt sich dieses Plus? Gibt es Hauptgewinner unter den Arztgruppen? Die 13,2 Prozent Plus bilden die gemeinsame Projektion, die wir mit der Bundesärztekammer ausgehandelt haben. Sie ist die Grundlage für die Bewertung und die Mengenannahmen. Eine Sichtweise auf die neue GOÄ mit Gewinnern und Verlierern würde ich mir nicht zu eigen machen wollen. Wir schauen auf die einzelnen Leistungen und das gesamte Ausgabenvolumen. Eine neue Kommission soll ja der Hebel für neue Leistungen sein. In der Ärzteschaft herrscht die Befürchtung, dass dies zu einer EBMisierung der GOÄ führen könnte. Was entgegnen Sie? Das ist ein grobes Missverständnis. Wir haben die Einzelleistungsvergütung, wir haben keine Budgetelemente und keine Mengensteuerung. Die gemeinsame Abschätzung von 13,2 Prozent Vergütungszuwachs binnen drei Jahren sind eine kalkulatorische Annahme und kein Budget. Wenn wir außerhalb dieses Korridors landen, wird die Kommission sich damit befassen und Empfehlungen für den Verordnungsgeber aussprechen. Unsere gemeinsame Prognose für den Einführungszeitraum halten wir insgesamt für verlässlich. Bezogen auf einzelne Leistungen kann letztendlich aber keine Seite exakt prognostizieren, welche Ziffer welche Folgen zeitigen wird. Das gilt für die Seite der Ärzte wie die der Beitragszahler. Was wird die Aufwertung der sprechenden Medizin bewirken? Von der starken Aufwertung der ärztlichen Zuwendung profitieren alle Ärzte. Es gibt Arztgruppen, die schon jetzt sehr zuwendungsintensiv sind und in der Vergangenheit nicht so gut vergütet wurden, zum Beispiel die Kinder- und Jugendärzte. Hierbei geht es auch um ein gesellschaftliches Anliegen, dass Kinder und Jugendliche ihre Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen bekommen. Es sollte keine Anreize geben, an dieser Stelle Leistungen nicht zu erbringen. In der Zeit, in der Sie über eine neue GOÄ verhandeln, ist viel an medizinischer Forschung und Leistungsentwicklung passiert. Ist dies alles schon in der GOÄ neu abgebildet, oder bekommt die erwähnte Gemeinsame Kommission gleich zu Beginn hier viel zu tun? Der Anspruch ist, dass wir bei Inkrafttreten ein vollständiges Leistungsverzeichnis haben, gemessen am Stand der Wissenschaft. Ich rechne damit, dass diese Frage auch in einem Gesetzgebungsverfahren aufgeworfen und diskutiert werden wird. Aufgenommen haben wir bereits das Thema Digitalisierung. Da gab es zu Beginn des Prozesses noch gar keine Leistungen. Die GOÄneu wird aber wie die jetzige GOÄ kein abschließender Leistungskatalog sein. Die Möglichkeit der Analogabrechnung wird fortbestehen. Wir wollen auf keinen Fall mit der neuen GOÄ Innovationen verhindern oder die Therapiefreiheit einschränken. Der einzelne Arzt wird die Möglichkeit haben, eine Analogabrechnung vorzunehmen. |