Stellungnahme der Radiologischen Verbände zur GOÖ Neu nach dem Clearing-Gespräch
Donnerstag, 17. April 2025
In Abstimmung mit den unterzeichneten Verbänden haben wir heute unsere gemeinsame Stellungnahme an die BÄK übersendet.
Ihr BDR

Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Reinhardt,
sehr geehrter Herr Langenberg,

wir bedanken uns für die mit Ihnen im Rahmen des Clearing-Verfahrens geführten Gespräche und wissen die gute Gesprächsatmosphäre dabei zu würdigen. Die vereinbarten Verbesserungen auf dem Gebiet der Kinderradiologie und bei Intensivpatienten begrüßen wir ausdrücklich als Schritte in die richtige Richtung. Auch das Entgegenkommen zu einer Verbesserung bei Ungleichgewichten in der Schnittbilddiagnostik und die Nennung des Faches „Radiologie“ erkennen wir ausdrücklich an.

All dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weiterhin den vorliegenden Reformvorschlag für die von uns vertretenden Verbände und Gesellschaften der Radiologie ablehnen müssen. Wie vielfach betont sind wir von der Notwendigkeit einer GOÄ-Reform weiterhin überzeugt und sahen das Projekt lange Zeit auch auf einem guten Weg. Grundsätzliche Strukturfehler in der Anlage machen es für uns unmöglich der Reform jetzt zuzustimmen und substanzielle Verbesserungen in der Fortschreibung des Verfahrens zu erwarten.

Das Verlassen der betriebswirtschaftlichen Basis der konsentierten Arztversion hin zu einer Volumenbetrachtung, wie von Ihnen zusammen mit der PKV erfolgt, verstößt unserer Meinung nach nicht nur gegen Beschlüsse des Deutschen Ärztetages. Sie verbaut auch völlig die Weiterentwicklung und notwendige Innovation in den kommenden Jahren, die aufgrund des technischen Fortschritts unausweichlich sein wird. Beispielhaft sei genannt, dass sämtliche Formen der KI in der aktuellen Version nicht vorkommen (können); eine Einbeziehung, die zweifelsohne in Kürze erforderlich sein wird, kann dann wieder nur nach Kassenlage und nicht betriebswirtschaftlich untermauert erfolgen.

Wir haben verstanden, dass die vorgelegte konsentierte Arztversion mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten der PKV nicht realisierbar war. Dann hätten aber andere Wege z.B. über eine generelle Absenkung bestanden, wie auch im Clearing-Gespräch angerissen, um die betriebswirtschaftliche Kalkulation beizubehalten und die Weiterentwicklung der GOÄ in den kommenden Jahren zu sichern. Diese aufgegebenen Vorteile können keinesfalls durch eine Kommission, wie angedacht, ausgeglichen werden.

Der Wechsel vom betriebswirtschaftlichen zum volumenbasierten Modell mit den erfolgten willkürlichen Absenkungen der Leistungen einzelner (technischer) Kapitel führt zu einer weiteren Schieflage. Dies hat den Anschein eines Systems von Ärzten unterschiedlicher Klassen. Selbst wenn man konstatiert, dass auch betriebswirtschaftliche Kalkulationen nicht vollständig objektiv sein mögen, folgen sie doch der Systematik von realen Sach- und Arztkosten. Letztere sind über die notwendige Zeit mit kalkuliert. Eine pauschale Absenkung z.B. im MRT-Bereich geht, bei konstanten Gerätekosten etc., zu Lasten des Arztkostenanteils. Bei unverändertem Zeitaufwand bedeutet das eine direkte Absenkung der vergüteten Arztminute. Somit entstehen Ärzte unterschiedlicher Klassen: die mit geringen Sachkosten und hoher Arztminutenvergütung und die mit hohen Sachkosten und zumindest variabler, de facto aber niedriger Arztminutenvergütung. Abgesehen von der hieraus entstehenden Ungerechtigkeit widerspricht dies ebenfalls Beschlüssen des Deutschen Ärztetages, die ausdrücklich die Gleichwertigkeit in der Vergütung der Arztminute festgeschrieben hatten. Damit entsteht Potential zur Spaltung der Ärzteschaft, die absolut kontraproduktiv ist.  

Bezüglich der Begrenzung hoher Volumina im MRT-Bereich möchten wir ausdrücklich nochmals an unsere Vorschläge zu einer aus unserer Sicht dringend umzusetzenden Begrenzung mit Hilfe eines Qualifikationsvorbehalts erinnern. Sie hatten dies im Gespräch ausdrücklich als nicht umsetzbar abgelehnt. Mit dem generell anerkannten Wissen, dass hier erhebliche Untersuchungszahlen per Selbstüberweisung generiert werden, müssen wir ausdrücklich nochmals auf diesen Vorschlag zurückkommen. Kein Arzt wird von der Anwendung der Methode ausgeschlossen, wenn er die notwendige Qualifikation dazu nachweisen kann. Es geht nicht um einen Facharztvorbehalt, sondern um einen Vorbehalt der notwendigen Qualifikation, die jeder Arzt erwerben kann.

Ähnliche Volumensteigerungen wie im MRT sehen wir auch im DVT-Bereich aufgrund technischer Weiterentwicklungen. Die aktuell in der Relation zu hohen Vergütungen beim DVT dürften einen zusätzlichen Anreiz dazu bieten und stehen erneut in völligem Widerspruch zu geforderten betriebswirtschaftlichen Grundlage der GOÄ.

Ausdrücklich möchten wir nochmals auf unsere großen Bedenken bezüglich der Beschneidung notwendiger Innovationen in der Radiologie durch den aktuellen Reformentwurf hinweisen. Sie selbst, Herr Präsident, hatten im Clearing-Gespräch auf die zentrale Bedeutung der Bildgebung für die gesamte Medizin und den rasanten Fortschritt bei bildgebenden Verfahren betont. Mit dem Mehrumsatz, der sich ausschließlich auf die Privatversicherten zurückführen lässt, gehen positive medizinische Versorgungseffekte im Zusammenspiel von GKV und PKV einher, zu dem u.a. der Zugang der Versicherten zur modernen, innovativen Medizin gehört. Dass die Umsetzung dieses Fortschritts in den Alltag immer wieder gelungen ist und die neuesten Verfahren und Möglichkeiten damit den Patientinnen und Patienten auch zur Verfügung gestellt werden konnten, ist Teil der bisherigen gemeinsamen Erfolgsgeschichte. Diese sehen wir, wie ja auch mündlich diskutiert, grundsätzlich bedroht. Eine Einschätzung, die z.B. auch der ZVEI in seiner aktuellen Stellungnahme teilt.

Zusammenfassend sehen wir, abgesehen von den substanziellen Schieflagen für die von uns vertretenden Fachbereiche der Radiologie erheblichen Nachbesserungsbedarf genereller Natur. Dies alles kann nicht durch nachgeschaltete Verhandlungen in einer, sei sie noch so paritätisch besetzten Kommission geheilt werden.

Allerdings sind wir, nach unseren Beobachtungen auch außerhalb der Radiologie im Prozess noch ein großes Stück von einer wirklich innerärztlich geeinten Version entfernt. An manchen Stellen wurden, wie oben erläutert, zusätzliche Gräben aufgerissen, die das Potential zu einer echten Spaltung der Ärzteschaft haben. Eine Diskussion auf dem kommenden Deutschen Ärztetag mit einer möglichen Abstimmung birgt daher unserer Meinung nach neben erheblichem Zündstoff auch die Gefahr, das Arztbild in der Bevölkerung nachhaltig zu schädigen.

Der aktuelle Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung erwähnt die GOÄ nicht. Dies kann auch als Chance verstanden werden, nochmal einen Schritt zurückzugehen und mit zusätzlicher, klar begrenzter Zeit Alternativen, die zweifelsohne vorhanden sind, auszuloten und einen wirklich geeinten Reformvorschlag vorzulegen. Wenn ein derartiges Signal vom kommenden Deutschen Ärztetag ausgeht, wird dies sicherlich sowohl im BMG als auch in der Bevölkerung als Bereitschaft der Ärzteschaft verstanden, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den notwendigen Fortschritt in gemeinsamen Anstrengungen fair zu erarbeiten.

Wir sind sehr gerne bereit, diesen Weg gemeinsam zu gehen und bieten ausdrücklich unsere Mitarbeit dazu an.

Mit freundlichen Grüßen

​​​
Prof. Dr. med. Hermann Helmberger                                 ​Prof. Dr. med. Konstantin Nikolaou​
Präsident Berufsverband der Deutschen Radiologie.        ​Präsident Deutsche Röntgengesellschaft


                                             
Prof. Dr. med. Peter Schramm​                                           PD Dr. med. Thekla von Kalle
Präsident Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie​       Präsidentin Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie

 

Prof. Dr. med. Bernd Turowski
Präsident Berufsverband Deutscher Neuroradiologen