EDITORAL Interventionelle Radiologie – die Zukunft unseres Faches?
Donnerstag, 31. Januar 2019
Info 02-19

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Es hat mich sehr gefreut bei dieser Veranstaltung gelernt zu haben, was mit modernen Diagnostikverfahren alles möglich ist.“ Lobende Worte, wie diese hören wir in der Regel von Vertretern der nicht-radiologisch tätigen Fächer, die auf einem unserer Kongresse zu Gast waren. Aus dem Mund eines erfahrenen interventionellen Radiologen in Führungsverantwortung markieren sie zumindest einen Wandel. Natürlich entwickelt sich unser Fach in rasendem Tempo fort und es ist unmöglich auf allen Gebieten gleichermaßen Schritt zu halten. Richtig ist sicher auch, dass der primär interventionell tätige Arzt Schwierigkeiten haben wird, die Charakteristika der gerade etablierten Spezialsequenz zur Differenzierung zweier Gewebe physikalisch zu erklären. Aber wie ist es um die Einheit der Radiologie bestellt, wenn wir unsere eigenen Verfahren und ihre Stärken nicht mehr ausreichend kennen? Hat sie weiterhin Bedeutung oder werden interventionell tätige Kollegen in Zukunft primär aus der Chirurgie oder Gastroenterologie kommen?

Der Wandel in der Diagnostischen Radiologie durch KI steht nicht nur vor der Tür, er hat begonnen. Unterstützende Software, z.B. in der Erkennung und Bewertung fokaler Lungenläsionen, sei nur als ein Beispiel genannt. Und wer wäre nicht auch schon überrascht gewesen von der Vielzahl an kleinsten Befunden, die das Programm zur Validierung vorschlägt, die aber selbst dem Auge des geschulten Betrachters beim ersten „Durchblättern“ entgangen waren. Unser Fach hat sich in den letzten Jahren so grundlegend gewandelt, wie es kaum jemand vorhergesehen hätte – weg von der Entwicklungsmaschine, dem Schaukasten und der Diktatkassette. Mit allen Begleiterscheinungen nicht zuletzt in der personellen Zusammensetzung unserer Institute und Abteilungen. Und Digitalisierung als dritte große Revolution der Menschheit wird die Radiologie zutiefst weiter verändern.

Umso wichtiger erscheint es damit die beiden Standbeine der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie zu stärken und gemeinsam in die Zukunft zu führen. Eine starke interventionelle Ausrichtung ist dabei unverzichtbar, wollen wir als eigenständiges Fach auch in Zukunft wahrgenommen, akzeptiert und gebraucht werden. Zweifelsohne werden interventionelle Techniken in Zukunft auch die primär operativen bzw. operativ tätigen Fächer prägen. Der Gefäßchirurg der Gegenwart und Zukunft ist natürlich auch interventionell tätig. Dennoch zeigen Erfahrungen an Zentren, die eine gesunde Kooperation zwischen Interventionellen Radiologen und Gefäßchirurgen pflegen, dass nicht nur für alle genug zu tun ist, sondern auch das Gesamtergebnis für den Patienten mit Sicherheit besser und individueller ist. Personalisierte Medizin findet vor allem auch in diesem Miteinander statt. Gefordert ist dafür aber auch unser Engagement in die interventionellen Techniken, was nicht zuletzt heißt, in Aus-, Weiter- und Fortbildung unsere Therapieverfahren in die Breite zu bringen. Sonst werden Lücken durch andere geschlossen. Der Beitrag der Fachgesellschaften, z.B. in der interdisziplinären Zertifizierung von Gefäßzentren, setzt hier wichtige Akzente. Aber auch jeder von uns ist gefragt: in der Motivation junger Kollegen für die Breite des Faches, in der Einräumung der Möglichkeit für Kollegen neue interventionelle Techniken durch Hospitationen bzw. Simulatortraining zu erlernen und auch selbst in der immerwährenden Fortbildung zur Breite unseres Faches. Nur die Einheit in der Vielfalt unserer Fähigkeiten wird die Radiologie auch in Zukunft zu dem zentralen Lotsen in der Patientenversorgung machen, als der wir gebraucht werden. Und auch primär in der Diagnostik tätige Kollegen sollten nicht überrascht sein, welche Vielzahl an Therapiemöglichkeiten unser Fach in den verschiedensten Disziplinen schon heute bereithält.