EDITORIAL „Paradoxes Europa“
Dienstag, 29. Oktober 2019
Info 11-19

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

„Nichts ist beständiger als der Wandel“ mag sich Mancher angesichts der aktuellen politischen Meldungen aus der Europazentrale in Brüssel denken. Und so paradox es klingt bei Veränderungen, die einen ganzen Kontinent betreffen, so sehr gehört es zur Realität 2019, dass Beschlüsse, die zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen aktuell waren, beim Lesen schon wieder verworfen sein mögen.

Berufspolitisch sind wir da schon ein Stück weiter. Der EU-Brexit mag ausgehen wie er will, in der UEMS (Union Européenne des Médecins Spécialistes), dem europäischen Interessensverband der Fachärzte, kann und wird Großbritannien jedenfalls bleiben; war man doch hier schon Mitglied bevor man Gleiches in der EU wurde. Und während der britische Premier alles tut, um sein Land aus der EU zu führen, wird der Hauptrepräsentant Großbritanniens in der UEMS ihr Präsident. So geschehen beim Council der UEMS Mitte Oktober in London, bei dem Prof. Vassilios Papalois, ein gebürtiger Grieche, der seit langem als Gefäßchirurg in London tätig ist, an die Spitze der UEMS gewählt wurde. In der vergangenen Wahlperiode war er bereits Generalsekretär. Er löst den Polen Prof. Krajewski ab, der als Liaison Officer gewählt wurde – eine Position, die für Kontinuität sorgen und die im Präsidentenamt erworbenen Kontakte zu den übrigen europäischen Institutionen und Vertretungen festigen soll. Den beiden zur Seite stehen vier Vizepräsidenten aus Kroatien, Belgien, Spanien und Griechenland, während der Generalsekretär künftig aus Portugal, der Schatzmeister aus Österreich kommen. Deutschland – übrigens auch in der UEMS das größte Land mit der höchsten Finanzleistung – ist nicht im UEMS-Präsidium vertreten. Aber wir dürfen ja die künftige EU-Kommissionspräsidentin stellen. Beides war im Übrigen auch Thema beim 3.Europatag und der Sitzung des Europaausschusses des Spitzenverbands der Fachärzte (SpiFa) Anfang Oktober in Berlin.

Zum Europatag eingeladen hatte der SpiFa als nationaler Repräsentant Deutschlands in der UEMS alle Abgesandten der nationalen Berufsverbände sowie die Vertreter der deutschen Berufsverbände in den Fachsektionen der UEMS. Gedacht waren beide Veranstaltungen als Information über die Tätigkeiten des SpiFa in Brüssel und die Abstimmung mit den Delegierten für die nachfolgende Council-Sitzung. Überraschender Weise für den mit den Gegebenheiten vertrauten Teilnehmer , kamen aber die entscheidenden Einschätzungen zur neuen EU-Kommission, der künftigen Kommissarin  für Gesundheit Stella Kyriakides aus Zypern und den ihr zugedachten Aufgabenstellungen von der KBV-Repräsentantin in Brüssel Corina Glorius. Die KBV 2012  hatte bereits ein Büro in Brüssel eröffnet und ist für Deutschland bei der EU vor Ort. In dieses Bild passt, dass auch die European Society of Radiology (ESR) ein Kontaktbüro in Brüssel mit dem Titel „European and International Affairs“ gegründet hat, das sich des gemeinsamen Sekretariats von ESR und UEMS bedient. Denn so wichtig die Verbesserung und Harmonisierung von Aus- und Weiterbildung als zentralem Anliegen der UEMS sind, so essentiell ist das auf der Website der Section of Radiology der UEMS formulierte Ziel: „The defence of the professional interests of European Radiologists“. Für den BDR heißt dies neben dem Engagement auf dem Gebiet der Qualitätsverbesserung und-sicherung, z.B. im ETAP 2.0 Komitee der Auditierung europäischer Weiterbildungsstätten, vor allem auch die Bemühungen der entsprechenden Kontaktbüros mit Augen und Ohren am Puls der Europäischen Institutionen nach Kräften  zu unterstützen. Was auf kommunaler,  Landes- und Bundesebene gilt, ist erst recht für Europa gültig: Entscheidungsprozesse sind langwierig, erfordern Kompromisse, aber im richtigen Moment vor allem Präsenz. Diese langfristig aufzubauen ist im Jahr 2019 in Europa ähnlich wichtig wie in Landesärztekammern und Landes-KVen. Der BDR trägt mit seiner Mitarbeit in den europäischen Gremien dazu bei, unsere Interessen als Radiologen auch dort zu vertreten.