EDITORIAL Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung - TSVG
Dienstag, 02. April 2019
Info 04-19

Schnell ist er, der amtierende Gesundheitsminister: genau ein Jahr nach seinem Amtsantritt am 14.03.2018 hat der Bundestag in der Sitzung am 14.03.2019 das TSVG durchgewunken. Am 12. April 2019 geht das Gesetz zwar noch in den 2. Durchgang im Bundesrat, es ist aber nicht zustimmungspflichtig und wird deshalb ziemlich sicher am 01.05.2019 unverändert in Kraft treten. Viel Entscheidungsfreude haben die Parlamentarier dabei nicht bewiesen: Die 2. und 3. Lesung dauerte zwar 10 Minuten länger als die in der Tagesordnung vorgesehenen 65 Minuten, aber sämtliche Änderungsanträge, die zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Tisch lagen, wurden abgewiesen. So hatte es der Ausschuss für Gesundheit mit seiner Beschlussempfehlung vom Spätnachmittag des Vortages vorgeschlagen. Unter die Räder kam damit auch der Entschließungsantrag der GRÜNEN, der im Ergebnis eine Vertagung der Entscheidung und Nachbesserungen am Gesetz gefordert hatte. Inhaltlich ist das aber bemerkenswert, was die Fraktion der Oppositionspartei vom Bundestag da festgestellt haben wollte:

„Das Gesetzgebungsverfahren war in höchstem Maße intransparent und hektisch. Zusätzlich zum knapp 200-seitigen Kabinettsentwurf wurden im Laufe des knapp dreimonatigen parlamentarischen Verfahrens durch die Fraktionen von CDU/CSU und SPD 100 Seiten mit fachfremden und zum Abschluss nochmals ca. 200 Seiten mit weiteren Änderungen eingebracht. Die Änderungen waren nur zum Teil Gegenstand von (zwei) Anhörungen im Gesundheitsausschuss, wobei die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf möglichst knappe Anhörungszeiten drangen. Dies hatte zur Folge, dass der Gesetzentwurf und die beabsichtigten Änderungen nur sehr selektiv in den Anhörungen thematisiert werden konnten. All dies hat die parlamentarische Kontrolle durch die Oppositionsfraktionen und womöglich auch durch den gesamten Bundestag zumindest erheblich erschwert.“

Ein Lehrstück parlamentarischer Demokratie also, was uns durch das TSVG geboten wurde. Inhaltlich spiegelt sich das wieder: Wenn Spahn die Ärmel hochkrempelt wird’s mitunter hemdsärmelig: Die Digitalisierung kommt nicht in die Gänge? Das Ministerium übernimmt kurzerhand 51% der Gematik und nimmt die Sache selbst in die Hand. Der EBM wird nicht zeitnah „modernisiert“? Bis 9 Monate nach Verkündung des Gesetzes hat der Bewertungsausschuss eine Aktualisierung durchzuführen und insbesondere die Angemessenheit der Vergütung von Leistungen mit hohen technischen Leistungsanteil zu überprüfen. Neue Behandlungsmethoden und Leistungen wie PrEP (zur Evaluation) oder Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen werden gleich durch den Gesetzgeber eingeführt und nicht über den langwierigen Weg des Gemeinsamen Bundesausschusses – auch wenn die generelle Ermächtigung zur Ersatzvornahme dann doch nicht eingeführt wurde. Das hat auch was Gutes, in der Wegelystraße in Berlin hätte man sicher noch Jahre lang über den Anspruch auf Sicherheitsinstrumente als Schutz vor Nadelstichen diskutiert. Systemrelevante Strukturthemen, wie die Begrenzung der Gründung von MVZ durch Private-Equity-Gesellschaften werden dagegen nur mut- und lustlos angegangen. Nur im zahnmedizinischen Bereich finden wir dazu eine – vermutlich völlig folgenlose – konkrete Regelung. Die Begrenzung von MVZ in der Hand von Betreibern nichtärztlicher Dialyse auf Leistungen mit „Fachbezug“ zur Dialyse ist geblieben – Dank der Hilfe wirtschaftlich hoch potenter Lobbyisten ist in der Gesetzesbegründung aber klargestellt, dass neben hausärztlichen und internistischen Leistungen auch urologische, kardiologische und radiologische Leistungen zu einer umfassenden fachübergreifenden Versorgung von Dialysepatienten beitragen.

War noch was? Ach ja, geplant 600 Millionen Euro zusätzlich für die Leistungserbringer, damit Patienten durch dringende hausärztliche Überweisung, Vermittlung durch die Terminservicestellen, erhöhte Mindestsprechstunden und offene Sprechstunden für schnellere Termine beim Facharzt entlohnt werden. Für Prof. Lauterbach rechtfertigt das den Titel „Gesetz zum Abbau der Zweiklassen-Medizin“ – zumindest dürfte das aber das Goldkorn der Spahnschen Gesundheitsreform sein. Eine Goldmine ist das aber noch längst nicht und nur für Optimisten der erste Schritt zur Abschaffung der Budgetierung.

Ich besitze trotzdem schon einen Tropenhelm und eine Schüssel zum Goldwaschen. Und meine Bananenstaude im Büro entlasse ich heuer in die Freiheit zwecks Gründung einer veritablen Plantage – in der richtigen Republik dafür lebe ich jetzt ja schon.