EDITORIAL Muss man alles machen, was man kann?
Donnerstag, 14. Januar 2016
Info 1-16

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Ärztinnen und Ärzte sind wir immer wieder mit der Frage des Machbaren konfrontiert. Gegenüber den medizinischen Möglichkeiten vor 50, vor 30  Jahren mutet der aktuelle Medizinbetrieb  doch wie  einem science fiction Roman entnommen an.

Das Resultat, die verlängerte Lebenserwartung,  ist nicht nur durch die Abwesenheit von Krieg seit 70 Jahren und verstärktem Umwelt- und Arbeitsschutz zu erklären. Krankheiten, die vor einem halben Jahrhundert definitiv letal gewesen wären, sind zu überleben. Von der Entwicklung der Diagnostik, der Medizintechnik und  Pharmazie profitieren unsere PatientInnen.  Schonende und präzise, schlicht individualisierte Behandlungskonzepte werden angeboten, ohne dass überflüssige medizinische Leistungen erbracht werden. Frühere Interventionsmöglichkeiten, kürzere Liegezeiten,  ambulante Behandlungen, minimal-invasive Eingriffe, dadurch  schnellere Rückkehr  an den Arbeitsplatz, sind die Errungenschaft jeglichen medizinischen Fortschritts. Das dies aber nicht mit den Honorar- und Vergütungskonzepten von 1985 machbar ist, sollte jedem geläufig sein.

Dieser  Fortschritt wird tagtäglich von (fach)ärztlichen KollegInnen  gesichert, die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit  leisten. Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen werden durch  juristische und verwaltungstechnische  Regularien abgesichert. Diese Regularien, Bundesärzteordnung, Weiterbildungsordnungen, Gebührenordnungen, Qualitätssicherung, Leitlinien sind in den vergangen Jahrzehnten rasant angewachsen, haben zu neuen Berufsbildern und Tätigkeitsmerkmalen in Praxis und Klinik geführt.

Auch das dies nicht kostenneutral zu erbringen ist, ist eine banale Erkenntnis, die sowohl unseren ärztlichen Standesvertretern, als  auch dem für den Gesundheitssektor zuständigen Ministerium geläufig sein sollte.

Das Jahr 2016 beginnt, wie 2015 endete: Gremiensitzungen auf allen Ebene. Dazu ein a.o. Ärztetag, der die Vergütung  und die ärztliche Behandlungsfreiheit in den Fokus stellt.

Die KV Thüringen hat jüngst mehr Respekt für ärztliche Leistung gefordert. Allerdings ging diese Forderung in Richtung PatientInnen, die ihre Unzufriedenheit über mangelnde flächendeckende Versorgung, lange Wege und Wartezeiten äußern.

Ärztliche Leistung ist eine begrenzte Ressource, mit der sparsam umgegangen werden muss. In diesem Sinne muss man nicht alles machen, was man machen kann. In einer älter werdenden Gesellschaft müssen Leistungen gerecht und sachlich angemessen in Anspruch genommen werden. Ärztliche Zuwendung, ob mit Apparaten oder in sprechender Form, kann nicht jederzeit unkontrolliert eingefordert werden.  WANZ -  wirtschaftlich, ausreichend,  notwendig und zweckmäßig ärztlich tätig sein,  stellt, integer angewendet, keine Minimalversorgung dar, sondern ermöglicht den niedergelassenen und klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten eine verantwortungsvolle und umfassende Versorgung unserer Bevölkerung. Mit diesen Prämissen  wird es auch möglich sein, Versorgung so zu strukturieren, dass sie wirtschaftlich darzustellen ist.

In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass BÄK und  Ministerium  die Realisierung einer Gebührenordnung zügig angehen, die das Überleben der Ärzteschaft als Freier Beruf ermöglichen und sich nicht die kurzsichtigen parteipolitischen Interessen durchsetzen.

Ihr

Dr. Helmut Altland