Heute vor 127 Jahren: Der uns den Durchblick gab
Donnerstag, 29. Dezember 2022
Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte zufällig die Röntgenstrahlen. Am 28. Dezember 1895 reichte er sein Manuskript über die „X-Strahlen“ ein – und revolutionierte damit die Medizin.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

28.12.2022, Tagesspiegel

Viel wird erdacht, erfunden und entwickelt in Labors, Büros oder auch mal unter der Dusche. Aber zum Wissensfundus der Menschheit trägt dieses neu Entdeckte erst bei, wenn es ordentlich veröffentlicht wird.

Wilhelm Conrad Röntgen war bekannt dafür, jeden einzelnen seiner insgesamt 60 Texte genau zu prüfen, bevor er sie zur Veröffentlichung einreichte. So auch jenes Manuskript, das „Über eine neue Art von Strahlen“ berichtet, das Röntgen am 28. Dezember 1895, vor 127 Jahren, dem Sekretär der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft übergab.

Die Existenz von „X-Strahlen“ hatte Röntgen schon am 8. November 1895 entdeckt. Er hatte mit speziellen Röhren experimentiert, die Gas enthalten, das durch elektrischen Strom so ionisiert wird, dass es strahlt, mitunter sogar leuchtet. Röntgen bemerkte dabei zufällig, dass ein für Strahlen empfindliches Papier, das in seinem Labor herumlag, auch dann eingeschwärzt wurde, wenn die Röhre von dicker Pappe abgeschirmt war. Die „X-Strahlen“, wie Röntgen sie nannte, konnten also bestimmte Dinge durchdringen.

Die Hand von Anna Bertha
Röntgen verwendete fast den ganzen November und Dezember darauf, diese Strahlung genauer zu untersuchen und bat am 22. Dezember sogar seine Frau Anna Bertha, ihre Hand als Testobjekt zur Verfügung zu stellen.

Dabei entstand das erste dokumentierte „Röntgenbild“, das neben den Skelettknochen der Hand auch den Ehering zeigt. Die Fotografie dieses ersten, berührungslosen Blicks in den Körper eines Menschen reichte Röntgen gemeinsam mit dem Manuskript zur Veröffentlichung ein.


Der Bedeutung seiner Entdeckung war sich Röntgen durchaus bewusst. Er schickte nicht nur jeweils neun Röntgenaufnahmen, sondern auch Kopien der im Januar 1896 erstmals gedruckten „Vorläufige Mittheilung“ über die entdeckten Strahlen, an eine ganze Reihe berühmter Wissenschaftler, darunter auch Ärzte wie den Charité-Immunologen Emil von Behring.

Ebenso bewusst verzichtete er auf eine Patentierung, seine Erfindungen und Entdeckungen sollten „der Allgemeinheit gehören und nicht durch Patente, Lizenzverträge und dergleichen einzelnen Unternehmungen vorbehalten bleiben“.

Die Kontrolle darüber, welches Wissen wann öffentlich werden soll, wollte er jedoch sogar noch nach seinem Tod behalten. In seinem Testament verfügte Röntgen, alle seine wissenschaftlichen Unterlagen zu vernichten.